8. FORUM FriedensBrot zur Lage und Perspektive der ukrainischen Landwirtschaft

Nicht auf den Frieden warten, jetzt in der Ukraine investieren!

v.l.n.r.: Dr. Olga Trofimtseva, Anton Blöth, Catarina Zanner, Matthias Berninger, Dr. Gibfried Schenk

In Zeiten des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bot das FORUM FriedensBrot 2023 erneut ein beeindruckendes Podium für Diskussionen über die untrennbare Verbindung zwischen Frieden und Landwirtschaft. In ihrem Gespräch betonten Dr. Olga Trofimtseva und Matthias Berninger, dass es von entscheidender Bedeutung ist, nicht auf den Frieden zu warten, sondern sofort in die Ukraine zu investieren, um die Landwirtschaft und die Versorgung zu sichern. Herausforderungen in der Landwirtschaft und Agrarpolitik sowie die Rolle der EU in der globalen Agrarpolitik wurden intensiv erörtert. Dr. Alexander Lissitsa, letztjähriger Gesprächspartner und online zugeschaltet, schloss das FORUM mit einem eindringlichen Appell für Investitionen in die Zukunft der Ukraine und damit Europas.

Anton Blöth

Am 12. Oktober 2023 fand die achte Ausgabe des FORUM FriedensBrot im Besucherzentrum der Gedenkstätte Berliner Mauer statt. Anton Blöth, der Vorsitzende des Vereins FriedensBrot e.V., hieß zahlreiche Teilnehmer, Freunde, Förderer, Mitglieder und Gäste herzlich willkommen. Das FORUM FriedensBrot habe sich mittlerweile als kleine, aber feine Gesprächsplattform etabliert und sei schon eine „gute Tradition“, so Blöth in seiner Begrüßung. Keine gute Tradition dürfe dagegen die jährliche und andauernde Befassung mit dem Krieg in der Ukraine und seinen (auch weltweiten) Folgen in Landwirtschaft und ländlichen Räumen werden, so der Vorsitzende. Er hob die untrennbare Verbindung zwischen Landwirtschaft und Frieden hervor und wies auf die erschütternde Realität des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hin, der weiterhin die Welt in Atem und großer Besorgnis hält. Zu spüren war dies auch bei der jüngsten Internationalen FriedensBrot-Konferenz „Frieden und Landwirtschaft“ Ende September in der Slowakei, wie Blöth informierte.

Prof. Alexander Klausmeier

Dennis Kraaijeveld

Im Namen der beiden Partnerorganisationen des FORUM FriedensBrot, der Stiftung Berliner Mauer und des Clubs der Agrardiplomaten in Berlin, äußerten Prof. Alexander Klausmeier und in Vertretung der verhinderten Vorsitzenden, Eivina Žižiūnaitė-Allbaz, der niederländische Agrardiplomat Dennis Kraaijeveld ihre Standpunkte. Beide betonten nicht nur ihren Wunsch nach Frieden für die Ukraine, sondern auch für andere Konfliktregionen wie Israel und den Nahen Osten. Sie hoben die Relevanz von Kommunikationskanälen und Plattformen hervor, um Verständigung und Frieden weltweit zu fördern. Prof. Klausmeier legte besonderen Wert auf die symbolische Bedeutung des Roggenfeldes rund um die Kapelle der Versöhnung und des daraus resultierenden Friedensbrots. Er erinnerte daran, dass Frieden und Nahrung keineswegs selbstverständlich sind und dass weiterhin daran gearbeitet und dafür geworben werden muss. Sowohl Klausmeier als auch Kraaijeveld sicherten ihre weitere Unterstützung für FriedensBrot zu, insbesondere für die bevorstehenden Jubiläumsfeierlichkeiten, die unter dem Motto „10 Jahre FriedensBrot – 35 Jahre Fall der Berliner Mauer“ vom 30. September bis zum 2. Oktober 2024 geplant sind, wozu Vorsitzender Blöth zuvor die Versammelten bereits herzlich einlud.

Die Gesprächsrunde mit Dr. Olga Trofimtseva und Matthias Berninger, moderiert von der RBB-Journalistin Catarina Zanner, ging ab der ersten Minute in die bittere Realität einer ukrainischen Landwirtschaft im Krieg.

Dr. Trofimtseva, eine ukrainische Expertin mit vielfältiger beruflicher Erfahrung in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, schilderte die aktuelle, beunruhigende Kriegssituation in der Ukraine, insbesondere auf dem Land und in landwirtschaftlichen Betrieben. Sie berichtete von gezielten Angriffen des russischen Aggressors auf agrarische Infrastruktur, enormen Ressourcenknappheiten in den Betrieben sowie beeindruckenden Bemühungen, die ukrainische Landwirtschaft am Laufen zu halten und an die sich verändernden Marktbedingungen anzupassen.

Dr. Olga Trofimtseva

Matthias Berninger

Matthias Berninger, verantwortlich für globale Public Affairs und Nachhaltigkeitsfragen im Bayer-Konzern, stellte die Bemühungen seines Unternehmens in und für die Ukraine vor. Er betonte, dass es notwendig ist, nicht auf Frieden zu warten, sondern sofort zu investieren und sicherzustellen, dass ukrainische Bauern weiterhin arbeiten können und ihre landwirtschaftlichen Betriebe überleben. Bayer engagiert sich beispielsweise mit der kostenlosen Abgabe von Gemüsesaatgut, der Unterstützung bei der Minenräumung auf landwirtschaftlichen Flächen und der Wiederintegration von Verletzten in die Arbeitswelt.

Beide Experten wiesen auf die gravierenden Liquiditätsengpässe hin, denen viele landwirtschaftliche Unternehmen gegenüberstehen. Es wird prognostiziert, dass bis 2024 bis zu 40% der kleineren Betriebe (200 bis 500 Hektar) aufgeben könnten. Berninger schätzte ein, dass der Krieg seit Februar 2022 bereits die Hälfte der ukrainischen Agrarproduktion zerstört oder zumindest aus der Produktion genommen hat. Diese Entwicklungen haben negative Auswirkungen auf die Versorgung in der Ukraine und weltweit. Sie könnten die bisherigen Ausgleichmechanismen auf den internationalen Agrarmärkten gefährden, was vor allem für Entwicklungsländer weitreichende negative Konsequenzen haben würde.

Sowohl Berninger als auch Trofimtseva betonten die strategische und machtpolitische Herangehensweise von Ländern wie Russland und China in Fragen der Landwirtschaft, Agrar- und Agrarhandelspolitik. Sie forderten, dass die EU ebenso aktiv und strategisch vorgehen sollte, um ihre Position als „Agrarsupermacht“ (zur der sie laut Trofimtseva nach einem Beitritt der Ukraine werden würde) zu stärken und die weltweite Agrarpolitik zu beeinflussen. Dies erfordert sowohl politischen Willen als auch konkrete Maßnahmen, die spätestens von einer nächsten EU-Kommission in Angriff genommen werden müssen, um ein – zumindest in der Ukraine erhofftes – Beitrittsdatum im Jahr 2030 zu erreichen.

Anschließend fasste Geschäftsführer Dr. Gibfried Schenk wie jedes Jahr an diesem Ort die wichtigsten Aktivitäten des Vereins FriedensBrot e.V. zusammen und machte bekannt, dass das Thema „Jugend und Jugendaustausch“ verstärkt in den Mittelpunkt des Vereins und seines internationalen Netzwerkes rückt.

Dr. Gibfried Schenk

Zum Abschluss des FORUM FriedensBrot 2023 appellierte auch Dr. Alexander Lissitsa in einem online-Interview an alle Teilnehmenden, nicht auf den Frieden zu warten, sondern jetzt in die Ukraine zu investieren. Als Agrarunternehmer in der Ukraine (und letztjähriger Gast im FORUM FriedensBrot 2022), der sich aktiv auch auf internationaler Bühne um die dringend erforderliche finanzielle Unterstützung für die ukrainische Land- und Agrarwirtschaft bemüht, beschrieb er die düstere Realität des Krieges in seinem Unternehmen und im Land. Er kritisierte westliche Unternehmen, die immer noch Geschäfte mit Russland machen, und forderte sie auf, in die Landwirtschaft und damit in die Zukunft der Ukraine zu investieren.

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